Im Jahr 1980 kreuzen sich in einem Pariser Kino zwei Biografien: die des jungen Kinogängers Alexander Horwath und jene Henry Fondas. Dass Fondas populäre Zuschreibungen als „typical American“ und schauspielerischem „Gewissen der USA“ zu kurz greifen, erkennt Horwath früh. So sind es vielmehr die Maulwurfsgänge in Fondas Biografie und seine über die Figuren hinausweisenden Rollenausgestaltungen und Haltungen, die ihn interessieren. In seinem mit Michael Palm aufregend montierten Essay folgt er ihnen durch die Filmgeschichte hinein in eine imaginäre Republik aus Orten, Zeiten, Figuren: „The United States of Fonda“. Fonda wird zum Scharnier zwischen altem und neuem Amerika, zum nachdenklichen Antlitz eines behaupteten Übergangs von Faustrecht zu Zivilisation. Zum Kritiker auch eines amerikanischen Selbstverständnisses, das sich nur selbst genügt. So ist es paradoxerweise die im Film beschworene Magie des Kinos, die mit ihren ureigenen Mitteln und unter Mitwirkung einer ihrer größten Magier zur (Selbst-)Entzauberung Amerikas beiträgt. Und damit den USA sowie dem Erzähler und Akteur Fonda – dem Präsidenten, den es nie gab – ein herrlich komplexes Filmdenkmal setzt.
_________________________________________________________
Ein dokumentarischer Essay über die USA–betrachtet durch das Brennglas
eines Filmschauspielers. Henry Fonda und seine Rollen verschmelzen zu
einer schillernden und konfliktreichen Figur. Ein sehr zurückhaltender
Mensch, der sich selbst als Anonymus, als „Leerstelle“ begreift, wird zum
Motor, zum heimlichen Autor einer großen Amerika-Erzählung.
Seine Stimme, aufgenommen 1981 im Zuge seines letzten Interviews,
und die Charaktere, die er spielte, führen durch den Film–und auf einen
Road Trip quer durch die USA: von einem Ort namens Fonda, NY, über
den Mittleren Westen, wo der Schauspieler aufwuchs, bis zum Pazifik.
Und sie führen durch die Geschichte des Landes, von 1651 bis in die
1980er Jahre, als ein anderer Filmschauspieler US-Präsident wurde.
Der Film beginnt mit einer persönlichen Erinnerung: Paris, im Sommer
1980. Zur selben Zeit finden in Moskau die Olympischen Spiele statt;
in Detroit wird Ronald Reagan zum Kandidaten der Republikanischen
Partei für das Amt des US-Präsidenten gekürt; in New Hampshire dreht
Henry Fonda seinen letzten Film. Zwei Schauspieler skizzieren zwei
verschiedene Weisen, die Vereinigten Staaten von Amerika ins Visier zu
nehmen: als God’s Own Country oder als Schauplatz sozialer Kämpfe.
Es folgt ein gewaltiger Rücksprung: nach Holland, ins Jahr 1651. Eine
doppelte Migrationsgeschichte nimmt ihren Lauf, die Geschichte
eines Mannes und seiner Familie –und die Geschichte einer Nation in
Bewegung. Die Reise des Films führt an die Ufer des Mohawk River und
in die Jahre der Amerikanischen Revolution, in den „Wilden Westen“
und zu den rassistischen Ausschreitungen des frühen 20. Jahrhunderts,
nach New York zur Zeit der Großen Depression, entlang der Route
66– von der „Dust Bowl“ nach Kalifornien, und nach Hiroshima, an
die Pazifikfront im Zweiten Weltkrieg.
Die Nachkriegs-Ära und ihre neuen Arten der Depression, der Kalte Krieg
und seine apokalyptischen Anmutungen–das ist auch die Zeit, in der sich
die Gesellschaft des Spektakels endgültig durchsetzt. Unser Protagonist
ist der Politikerrolle nun näher denn je.
Rund um das Jahr 1976 kommt die Erzählung an ihr Ende: nach Watergate
und dem Vietnamkrieg, als sich die USA neu zu erfinden suchen.
Henry Fonda bahnt dieser Erzählung den Weg: Alle Stationen der Reise
durchs Land und dessen Zeiten sind mit ihm verbunden–mit seinem
Leben und dem seiner Vorfahren; mit seiner Arbeit als Schauspieler und
seiner öffentlichen Person; mit den Kinofiguren, die er darstellte. In ihnen fokussiert er sich selbst –und das Land, aus dem alle diese Gesichter
herrühren. Von heute aus betrachtet: ein anderes Land, eine andere
Zeit. Aber deren Gespenster, egal ob prominent oder namenlos, sind
wirksamer denn je.
(Pressemappe)
Trailer:
Mehr